Der Geschmack von Montréal: 5 versteckte Restaurants, die die Einheimischen lieben



Montréal fasziniert mich immer wieder. Die Stadt verführt nicht nur mit ihren von französischem Flair durchzogenen Gassen, sondern auch mit Überraschungen auf jedem Teller. Anders als in Paris ist die Küche hier weniger streng, aber keineswegs nachlässig. Die Köche wagen sich an kreative Kompositionen, die Gäste wiederum haben Spaß am Entdecken. Statt bekannter Michelin-Adressen oder Trend-Spots bevorzuge ich jene Lokale, die sich unauffällig in Straßenecken verstecken – gut gehütete Geheimnisse, die die Einheimischen für sich behalten möchten. Jedes dieser Restaurants ist eine stille Begegnung, die mich berührt.

Heute teile ich fünf Lokale, die ich über die Jahre für mich entdeckt habe. Sie liegen versteckt in Wohngegenden, an Ecken kreativer Stadtteile oder sind so unscheinbar, dass man sie leicht übersieht – und doch kehre ich immer wieder zurück. Wenn du in Montréal ein echtes kulinarisches Abenteuer erleben willst, folg mir auf diesem Streifzug.

1. Le Réservoir: Eine moderne Brasserie im alten Brauereilook

Mein erster Besuch im Le Réservoir war an einem kühlen Herbstabend. Das Lokal liegt in einem roten Backsteingebäude, das früher eine Brauerei war – heute erinnert noch die offene Bierfass-Auslage an diese Vergangenheit. Der Eingang ist schlicht, fast unscheinbar, doch sobald man die Tür öffnet, strömen einem warme Aromen aus Malz, Gebäck und Hopfen entgegen. Die sanften gelben Lampen schaffen eine gemütliche Atmosphäre, in der sich Vergangenheit und Gegenwart die Hand reichen.
Die Speisekarte wechselt je nach Saison, die Grundlage bildet moderne Quebec-Küche. Im Herbst kostete ich perfekt gebratenes Hirschfilet mit geräuchertem Kürbispüree – das zarte Fleisch mit seiner Wildnote wurde durch die Süße des Pürees wunderbar ausbalanciert. Ein anderes Mal genoss ich ein in Schwarzbier geschmortes Ochsenschwanzgericht, dessen Aromen Tiefe und Wärme ausstrahlten. Die Küche arbeitet hier sehr fein, mit einer Hingabe zur Regionalität, die man in jedem Bissen schmeckt. Auch die vegetarischen Optionen – etwa gegrillter Lauch mit Erbsenpüree – überraschen mit Kreativität.
Die hausgebrauten Biere sind hier der Star. Die Sorten werden an einer Wandtafel angeschrieben, und die freundlichen Kellner geben gerne Empfehlungen für das passende Pairing. Mein Favorit: ein blumiges “Blonde Pale”, das erstaunlich gut zum Hirschfleisch passte. Für Bierliebhaber ist dies ein echtes Paradies, das handwerkliches Brauen mit feiner Gastronomie verbindet.

Adresse: 9 Avenue Duluth E
Empfohlene Gerichte: Hirschfilet, geschmorter Ochsenschwanz, Blonde Pale Ale
Reservierung: Über OpenTable möglich, auch Walk-ins – aber zur Stoßzeit wird es voll

2. Satay Brothers: Südostasiatischer Überraschungshit im Marktviertel

Wäre ich nicht zufällig durch den Atwater Market geschlendert, hätte ich Satay Brothers wohl nie entdeckt. Der kleine südostasiatische Imbiss befindet sich in einem Holzhaus am südlichen Ende des Marktes – auf den ersten Blick eher unscheinbar, fast wie ein Provisorium. Doch sobald man näherkommt, strömt einem ein wilder Duftmix aus Zitronengras, Kokosmilch und gegrilltem Fleisch entgegen. Es riecht nach Straßenküche, nach Hitze, Würze und Heimat.
Die Brüder, die das Lokal führen, stammen aus Vietnam. Einer steht am Herd, der andere kümmert sich um die Gäste. Die Speisekarte ist klein, aber durchdacht. Mein Favorit ist das singapurische Hähnchenreisgericht: perfekt gegarter Reis, zartes Fleisch, eine sensationelle Ingwer-Schnittlauch-Sauce. Auch das Laksa – eine kräftige Kokos-Curry-Suppe mit Garnelen und Fischkuchen – ist ein echter Trostspender. Die Satay-Spieße, frisch vom Grill, sind herzhaft, süßlich und leicht rauchig – genau richtig für einen schnellen Biss.
Die Atmosphäre ist locker, fast familiär. Die Gäste, meist Marktbesucher oder Anwohner, sitzen eng an Holztischen, plaudern laut, essen schnell – herrlich unprätentiös. Genau das liebe ich an diesem Ort. Es fühlt sich nicht wie ein Restaurantbesuch an, sondern wie ein gemeinsames Essen in einer offenen Küche. Wer echtes Streetfood liebt, ist hier goldrichtig.

Adresse: Atwater Market (im Sommer), Winterstandort in St-Henri
Empfohlene Gerichte: Hähnchenreis, Laksa, Satay-Spieße
Reservierung: Keine – einfach vorbeikommen; Mittagsspitze am besten meiden

3. Le Chien Fumant: Wo Montréal nach Mitternacht erst richtig aufblüht

„Le Chien Fumant“ heißt übersetzt „Der rauchende Hund“ – ein skurriler Name, der gut zu diesem außergewöhnlichen Lokal passt. Es liegt versteckt in einer Seitenstraße im Plateau Mont-Royal. Kein auffälliges Schild, nur eine gelbe Glühbirne über der Tür weist den Weg. Wer das erste Mal vorbeiläuft, würde es vermutlich übersehen – und gerade das macht den Reiz aus.
Ich komme meist spät hierher. Wenn die meisten Restaurants in Montréal schon geschlossen haben, ist Le Chien Fumant noch bis 2 Uhr nachts offen. In der Küche geht es lebendig zu: Musik spielt, das Personal scherzt, Gäste plaudern. Es fühlt sich an wie ein geheimer Club für Nachtschwärmer und Köche. Viele Stammgäste sind selbst Gastronomen – sie kommen nach Feierabend, um sich kulinarisch verwöhnen zu lassen und zu entspannen.
Die Küche kennt keine Grenzen: Einmal bekam ich Spaghetti mit Seeigel in Rahmsauce, serviert mit geröstetem Knochenmark – eine Explosion von Meeresfrische und Umami. Ein anderes Mal war es geschmortes Kaninchen mit Glühweinsauce. Hier gibt es keine Routine, sondern kreative Freiheit pur. Jedes Gericht scheint aus einem spontanen Einfall zu entstehen, kombiniert klassische französische Technik mit mutigen Zutaten.

Adresse: 4710 Rue De Lanaudière
Empfohlene Gerichte: Seeigel-Pasta mit Knochenmark, geschmortes Kaninchen, gegrillter Oktopus
Reservierung: Über Yelp Reservations oder telefonisch möglich – für späte Abende frühzeitig reservieren

4. Pumpui: Thailändisches Streetfood mitten in Montréal

Pumpui fand ich durch Zufall im Internet – beschrieben als „Curry-Bude mit Streetfood-Seele“. Ich musste hin, und wurde nicht enttäuscht. Die Atmosphäre ist unverfälscht, laut und bunt – genau wie gutes Streetfood eben sein soll. Jeder Zentimeter ist dekoriert, aus der offenen Küche strömen betörende Düfte von Chili, Kokosmilch und frischen Kräutern.
Das kleine Lokal hat kaum mehr als drei Tische. Die bunt bemalten Wände, handgeschriebene Menüs und chaotische Sticker vermitteln echtes Bangkok-Flair. Der Chefkoch lernte in Chiang Mai und bringt traditionelle Rezepte auf die Straße Montréals. Alles wird frisch zubereitet – schnell, aber mit Präzision. Man hat das Gefühl, mitten in Asien zu sein, nur dass draußen Schneeflocken fallen.
Die Currygerichte sind sein Aushängeschild: von milder Erdnussnote bis zu scharfem Gaeng Phet – intensiv, würzig und absolut süchtig machend. Mein Favorit ist das rote Curry mit Schweinehals – zart, aromatisch und perfekt mit Reis. Dazu bestelle ich gerne knusprige Hähnchenflügel in Garnelenpaste – ein Traum zum Bier. Die Portionen sind großzügig, das Preis-Leistungs-Verhältnis unschlagbar.
Pumpui liefert nicht aus, akzeptiert keine Reservierungen – wer hier essen will, muss kommen. Und genau das macht den Reiz aus. Es ist ein Ort für Entdecker, nicht für Planer. Wer Glück hat, bekommt sofort einen Platz. Wer warten muss, wird mit ehrlichem, kräftigem Geschmack belohnt.

Adresse: 83 Rue Saint-Zotique E
Empfohlene Gerichte: Schweinehals-Curry, Garnelen-Hähnchenflügel, grünes Curry
Reservierung: Keine möglich – am besten außerhalb der Stoßzeiten vorbeischauen

5. Restaurant Candide: Ein kulinarisches Ritual hinter einer Kapelle

Candide ist eine jener Adressen, die Montréal seinen poetischen Ruf verdanken. Das Restaurant liegt versteckt hinter einer alten Kapelle, der Zugang führt über einen schmalen Pfad durch einen Garten, der im Sommer von Wildblumen gesäumt ist und im Winter eine fast mystische Stille ausstrahlt. Wer die graue Holztür erreicht, tritt in eine andere Welt – ruhig, behutsam beleuchtet, mit schlichtem Interieur, das perfekt zur Philosophie des Hauses passt.

Hier wird moderne kanadische Küche im Stil von „farm-to-table“ serviert. Die Zutaten stammen aus kleinen lokalen Betrieben, die Menüs wechseln saisonal und spiegeln die kanadische Landschaft ebenso wie die jeweilige Erntezeit wider. Der Küchenchef setzt auf Reduktion und Natürlichkeit: Ich erinnere mich an eine Vorspeise mit geröstetem Grünkohl, Karottenpüree und Ziegenkäse – so einfach, so stimmig. Die Texturen harmonieren überraschend gut: der knackige Kohl, die cremige Süße der Karotten und die leicht säuerliche Note des Käses. Alles ist fein ausbalanciert, mit viel Raum für Stille und Genuss.

Das viergängige Menü ist wie ein abendliches Ritual: durchdacht komponiert, liebevoll angerichtet, ruhig serviert. Jedes Gericht wirkt wie ein Pinselstrich in einem kulinarischen Gemälde. Die Atmosphäre ist sanft, fast meditativ – das Flüstern der Gäste, das Klingen von Besteck, der Duft aus der offenen Küche. Hier isst man nicht einfach – man zelebriert. Es ist ein Ort für besondere Abende, an dem Zeit langsamer vergeht und Geschmack zum Erlebnis wird.

Adresse: 551 Rue Saint-Martin
Empfohlene Gerichte: Saisonales Vier-Gänge-Menü, Meeresfrüchte aus der Region, Dessert mit Vanille und Kräutern
Reservierung: Online über die Website restaurantcandide.com, 3–5 Tage im Voraus empfohlen

Mehr als nur Essen: ein Dialog mit der Stadt

Man sagt, der schnellste Weg, eine Stadt zu verstehen, führe über ihren Esstisch. Und für mich zeichnen diese fünf Lokale eine ganz eigene kulinarische Landkarte von Montréal: mit der nächtlichen Freiheit, der bodenständigen Marktromantik, der sinnlichen Nähe zur Natur und der feurigen Lebendigkeit asiatischer Straßenküchen.

Sie stehen vielleicht nicht in jedem Reiseführer, doch gerade das macht ihren Reiz aus. Diese versteckten Restaurants geben meinen Montréal-Besuchen Tiefe und Wärme – und bringen mich näher an das echte Leben der Stadt.

Reservieren lässt sich meist über gängige Plattformen wie OpenTable, Yelp Reservations oder direkt auf den Webseiten der Restaurants. Einige Lokale arbeiten nach dem Prinzip „first come, first served“. Und genau darin liegt der Reiz: Spontanität, Entdeckung, ein Hauch Abenteuer. Wer also Montréal wirklich schmecken will, sollte ruhig einmal die ausgetretenen Pfade verlassen. Hinter einer unscheinbaren Tür könnte die beste Mahlzeit deines Lebens warten.

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